Warum denn nur?

Liebe Leser,

unter den vielen Weihnachtskarten, die mich heimsuchen, war ein interessantes Motiv: ein Rentier. Ich gebe zu, die traditionellen Motive mit dem aus den Krippendarstellungen bekannten Personal sind mir lieber – aber dieses Rentier…

Ich mag Rentiere, wegen ihrer Genügsamkeit und ihres Durchhaltevermögens, vielleicht auch wegen ihrer Augen und ihres Geweihs, besonders aber wegen ihrer Herdenorganisation. Was aber sollte dieses Motiv auf einer Weihnachtskarte? Es war ja nicht rotnasig und hatte keinen Namen. Es führt eventuell zur Frage, warum denn nur Weihnachten gefeiert wird. Da gibt es für viele Leute viele Anlässe: gutes Essen und Trinken, arbeits- und schulfreie Tage, Zeit mit der Familie, Geschenke, Märchenfilme, Urlaub auf schneebedeckten Bergen zum Skifahren oder an sonnenüberströmten Stränden zum Baden… Warum denn nur feiern wir Weihnachten? Mir hilft das Rentier weiter. Ich könnte mir vorstellen, dass Hirten mit Rentierherden auf den Feldern waren in jener Nacht, als der Engel ihnen das Evangelium brachte: „Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude… Heute ist euch… der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.“ [Lk 2,10f] – wenn Jesus in anderen, nördlicheren Gefilden dieser Erde geboren worden wäre. Aber auch jetzt ist es so: es geschah nicht in einem Machtzentrum sondern in irgendeinem einsamen Winkel der Welt, in der Gegend von Betlehem, herbergslos in einer Futterkrippe, wo Hirten auf freiem Feld lagerten und Nachtwache bei ihrer Herde hielten.

Warum denn nur feiern wir Weihnachten? Eine Karte mit traditionellem Krippenmotiv hilft mir zur Antwort: weil im neugeborenen Menschen Gott in die Welt kommt, als Einladung, die Dunkelheit der gottlosen Welt zu erleuchten, nicht mit dem grellsten energiefressenden Scheinwerferlicht sondern durch die Verheißung dessen, der den glimmenden Docht nicht auslöscht [vgl. Jes 42,3]. Und wenn ich die Karte mit dem Rentier genauer betrachte, entdecke ich im Hintergrund schimmernde Sterne…

 

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit und darin eingebettet einen Mut machenden und zuversichtlich stimmenden Wechsel des Kalenderjahres

 

Ihr Pfarrer

Walter Schmiedel